Die mechanischen Schließsysteme des Traditionsunternehmens Winkhaus entstehen seit 2021 auf einer einzigartigen Anlage. Da die Zylinder in der Regel Unikate sind, war die Automatisierung der Fertigung entsprechend anspruchsvoll. Für die korrekte Bestückung jedes Zylinders eines Auftrags ist eine nahtlose Verbindung zwischen IT und OT hier besonders wichtig.
Um nicht nur einen fehlerfreien Prozessfluss, sondern auch eine einfache und sichere Bedienung zu gewährleisten, erstellte der Automatisierungsspezialist AST Automation die Software für die komplexe Anlage auf Basis von INOSOFTs VisiWin.
Das Unternehmen August Winkhaus GmbH & Co. KG entwickelt und produziert modernste Fenstertechnik, Türverriegelungen und Systeme für die Zutrittsorganisation, darunter auch mechanische Schließsysteme. Zu den Kunden des weltweit erfolgreichen Unternehmens gehören unter anderem Sicherheitsprofis und Bauherren, die dessen Motto „Always precise“ zu schätzen wissen.
Präzision hat bei Winkhaus‘ mechanischen Schließsystemen eine lange Tradition. Sie bieten anwenderfreundlichen Komfort und Schutz – sowohl für einzelne Wohnungstüren als auch für große Gebäudekomplexe wie Flughäfen, Hotels oder Verwaltungsgebäude. Damit bei den Zutrittssystemen eine hohe Funktionssicherheit gewährleistet ist, dürfen im aufwändigen Herstellungsprozess keine Fehler passieren.
Um Ausschuss in der Montage zu minimieren und bestenfalls auszuschließen, die Produktionsqualität und -geschwindigkeit zu erhöhen und just-in-time produzieren zu können, gab Winkhaus 2017 eine Anlage zum Codieren von Schließzylindern bei der Aumat Maschinenbau GmbH in Auftrag. Da die Fertigung nicht ohne manuelle Schritte auskommt und IT und OT bei der Anlage Hand in Hand gehen müssen, holte der Maschinenbauer Aumat die AST Automation GmbH an Bord. AST ist Spezialist für Konstruktion, Retrofit und Softwareentwicklung.
Die Bestückung von Schließzylindern und ihre mechanische Codierung sind bei Winkhaus genauso anspruchsvoll wie die Schließtechnik selbst. Die meisten Schlösser, die der Hersteller ausliefert, sind Unikate. Um dieser Individualität gerecht zu werden, mussten viele Arbeitsschritte bislang teilautomatisiert erledigt oder verifiziert werden. Wurde eine Fehlbestiftung festgestellt, musste der Bestückungsfehler aufwendig korrigiert werden.
Mit der neuen Anlage sollten manuelle Nacharbeiten reduziert und der Durchsatz in der Produktion erhöht werden. Die Idee des Herstellers war es, den Bestückungsprozess zu entzerren und die Befüllung der Zylinderschlösser so weit wie möglich zu automatisieren. Trotzdem legte der Kunde Wert auf hohe Flexibilität, um beispielsweise dringende Aufträge zu priorisieren und Reihenfolgen verändern zu können. Die Herausforderung dabei: Je kleiner die Losgröße, desto komplexer ist die Automatisierung der Produktion.
Dank der Anlage von Aumat ist es gelungen, alle Anforderungen von Winkhaus zu erfüllen. Dazu verteilten die Maschinenbauer den Bestückungsprozess auf vier Einzelmaschinen, die mechanisch über Bandstrecken verbunden sind. Neben einem Füllautomaten und einer Montagestation bilden ein Leer- und ein Vollmagazinspeicher – man nennt sie Apothekerschränke – das Herzstück der Anlage: In jedem dieser Speicher stecken 1.600 Rutschen, auf denen je zehn Transportcontainer Platz finden.
Der Prozess beginnt beim Füllautomaten. Die Maschine fordert einen Auftrag an und versorgt je zwei leere Transportcontainer aus dem Leermagazinspeicher mit Kern- und Gehäusestiften. Der Füllvorgang kann autark über Nacht laufen. Bestückungsfehler korrigiert die Maschine in dieser Zeit automatisch. Fehler werden dabei zunächst durch eine vollautomatisierte Kameraprüfung der befüllten Behälter erkannt. Diese werden dann ausgeschleust und durch neue, korrigierte und hoch priorisierte Transportcontainer ersetzt. So können die Mitarbeiter am nächsten Morgen direkt mit dem Bestücken der Zylinder starten.
Die Anlage übergibt die gefüllten Container im Doppelpack und in der richtigen Reihenfolge an den Vollmagazinspeicher, von wo aus sie zum Montageautomaten wandern. Dort wartet bereits ein Mitarbeiter, der Auftragszettel scannt und die zu bestückenden Zylinder einlegt. Die Maschine verheiratet die Stifte mit dem Gehäuse und verschließt die Zylinder dann automatisch – die Endstation für die Transportcontainer wird deshalb auch liebevoll „Standesamt“ genannt.
Insgesamt bewegen sich so bis zu 32.000 Transportcontainer in drei verschiedenen Varianten durch die Anlage. Sie können mit bis zu 40 Stiften bestückt werden. Dadurch entsteht in der Fertigung eine hohe Komplexität, die Ordnung und Übersicht erfordert. Bei Großaufträgen, etwa für Verwaltungsgebäude, umfasst ein Auftrag oft Hunderte Schließsysteme – Fehler in der Bestückung würden die rechtzeitige Erfüllung des Auftrags gefährden und wären mit hohen Kosten verbunden.
Damit das nicht passiert, müssen zum Beispiel die Transportcontainer im Vollmagazinspeicher auftragsbezogen und in der korrekten Reihenfolge in den Rutschen belegt werden. Voraussetzung dafür ist eine lückenlose Datenverfolgung in der Maschine und die reibungslose Kommunikation zwischen den einzelnen Stationen der Anlage. Da zahlreiche mechanische Vorgänge und Datenabfragen parallel ablaufen, bestand die Aufgabe für AST und Aumat darin, eine stabile und sichere Software für die Verbindung zwischen Kundenaufträgen und Herstellung zu schaffen.
Durch den Einsatz von vier Clients, die auf der HMI-Software VisiWin 7 von INOSOFT basieren und die untereinander kommunizieren, schlugen Aumat und AST die Brücke zwischen IT und OT (Information und Operation Technology). Dabei war von Anfang an klar, dass VisiWin das Tool der Wahl ist: „Wir hätten das Projekt mit anderen Softwarelösungen auf dem Markt gar nicht stemmen können“, sagt Daniel Melneczcuk, der bei AST als Softwareentwickler Applikationen mit VisiWin umsetzt.
Die VisiWin-Clients ermöglichen in der Bestückungsanlage eine zuverlässige Koordination der Aufträge und Transportcontainer. Dabei muss der Anlagenbetreiber keine Abstriche bei der Performance in Kauf nehmen und behält jederzeit den Überblick über alle laufenden Prozesse. Positiv ist zudem, dass für die Visualisierung der Anlage mit Automatisierung und Antriebstechnik sowie die Darstellung von Daten nur ein HMI erforderlich ist.
Dank VisiWin ist es außerdem möglich, Mobile Devices wie USB-Scanner nahtlos zu integrieren – ein Alleinstellungsmerkmal, wie der Automationsexperte Melneczcuk betont. Damit lassen sich einzelne Transportcontainer identifizieren. Jeder Container ist mit einem DataMatrix-Code (DMC) versehen. Durch Scannen des Codes erhalten die Mitarbeiter aus der angeschlossenen Datenbank die Rückmeldung, zu welchem Auftrag ein Transportcontainer gehört und wo sein Platz ist.
In der Anlage arbeiten verschiedene Linear-, Servo- und Drehstrommotoren, steuerseitig sind fast 1.000 digitale Eingänge verbaut. Die anfallenden Daten laufen in einer Datenbank zusammen. VisiWin bildet die Schnittstelle zwischen der SPS-Hardware, der IT-Welt, den Mobile Devices und dem Bediener, der durch die Visualisierung eine nahtlose User Experience erfährt. Egal, ob er eine Servoachse fährt oder eine Datenbankabfrage startet – er nutzt dafür ein und dasselbe Interface und bewegt sich ohne Medienbruch zwischen IT und OT hin und her.
„Diese Schnittstellenfunktion war für das Projekt sehr wichtig“, betont Melneczcuk. „Die Spezialisten von Winkhaus und Aumat sind in erster Linie Maschinenbauer und SPS-Profis, die allerdings nicht auf die Vorteile der IT verzichten konnten. Mit VisiWin war es möglich, beide Bereiche zu verbinden, ohne die ganze Welt um die Maschine herum neu aufbauen zu müssen“, erklärt er.
Ende 2021 lieferte Aumat die auf dem Markt einzigartige Anlage zur Zylinderbefüllung aus. Damit ist der Kunde nun in der Lage, fehlerfreie Schließanlagen innerhalb von 48 Stunden zu liefern. Die Konstruktion der Anlage dauerte fast ein Jahr, die Bauzeit betrug zwei Jahre. Von AST sind innerhalb von 1,5 Jahren etwa 2.400 Programmierstunden eingeflossen.
Die Herausforderung bestand laut dem AST-Experten vor allem darin, Datenstrukturen anzupassen. Dank INOSOFT und VisiWin konnten Melneczcuk und sein Team trotz der Herausforderungen viel Entwicklungsaufwand sparen: „INOSOFT hat jahrelange Erfahrung in der Visualisierung, ein offenes und leistungsfähiges Produkt und bereits unzählige Funktionen standardisiert, so dass wir uns auf unsere Expertise und die anlagenspezifischen Herausforderungen konzentrieren konnten. Die äußerst komplexe Anlage für Winkhaus konnten wir deshalb mit nur zwei Softwareentwicklern umsetzen“, fasst er die Vorteile zusammen, die INOSOFT als Partner seinem Unternehmen bietet.
Die Arbeit hat sich ausgezahlt: „Mit dem Ergebnis ist Winkhaus in der Lage, sich von der Konkurrenz abzuheben. Es gibt kein vergleichbares System in diesem Bereich – nirgendwo. Diese Anlage ist ein echtes Pfund für Winkhaus‘ Marktposition“, sagt Daniel Melneczcuk. Durch die Entzerrung der Prozesse und den Einsatz von zwei Magazinspeichern ist der Schließsystemanbieter in der Produktion flexibler als zuvor. Aufgrund der asynchronen Fertigung kann die Anlage Fehler im laufenden Betrieb beheben und die korrigierten Aufträge mit erhöhter Priorität nach- oder zwischenschieben.
Das Konzept ist aufgegangen: „Seit Inbetriebnahme der Anlage vor rund einem Jahr sind keine Nacharbeiten mehr nötig“, berichten die Verantwortlichen bei Winkhaus. „Und wenn, dann kann die Anlage diese eigenständig und voll-automatisiert korrigieren. Auf diese Weise konnten wir Stillstände in der Produktion spürbar reduzieren.“
Die Zuordnung der Bestückung ist mit der neuen Anlage zu 100 Prozent gegeben. Bedienfehler sind heute ausgeschlossen. Seitdem die Anlage läuft, gab es keine einzige Fehlbestückung der Zylinder. Das spart Winkhaus nicht nur viel Zeit und Geld, sondern auch deren Kunden. Mehrere Zehntausend Zylinder konnte Winkhaus mit der neuen Anlage bereits fehlerfrei ausliefern.
Zuverlässig und stabil läuft auch VisiWin: Seit Inbetriebnahme der Anlage mussten die Spezialisten von AST nicht eine Zeile Quelltext anpassen. Über die VisiWin-Clients ist die Maschine reibungslos bedienbar. Ein zentraler Monitor, der ebenfalls an VisiWin angebunden ist, gibt zudem Auskunft über den Gesamtstatus der Anlage und zeigt, wie viele Transportcontainer aktuell in den Maschinen unterwegs sind. Die Clients loggen regelmäßig den Status der Transportcontainer und erkennen eventuell auftretende Unregelmäßigkeiten sofort.
Winkhaus steht für Präzision und Sicherheit – zwei Versprechen, die der Sicherheitsspezialist mit der neuen Anlage mühelos einlöst. VisiWin von INOSOFT ist der Kitt, der die dafür notwendigen IT- und OT-Komponenten zusammenhält.
AST nutzt VisiWin bereits seit zehn Jahren als Softwarestandard. Mittlerweile verwenden auch viele AST-Kunden die mit INOSOFT umgesetzte Visualisierung als eigenen Standard und stellen auch bei älteren Bestandsanlagen auf VisiWin um. Winkhaus konnte sich von den Vorteilen der Visualisierungssoftware in der eigenen Produktion überzeugen und ist damit rundum zufrieden.
Dank VisiWin ist die neue Anlage bei Winkhaus nicht nur Garant für zuverlässige Fertigung, höchste Qualität und Kundenzufriedenheit, sondern im wahrsten Sinne des Wortes eine „Schlüsseltechnologie“: Da VisiWin offen für Erweiterungen ist, lassen sich jederzeit neue Technologien anbinden und bei Bedarf Optimierungen in kürzester Zeit umsetzen.
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